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    Sax im Kopf – Neurophysiologie und Musik

    Sax im Kopf – Neurophysiologie und Musik

    Ein Beitrag von Markus Thiel

    Wie viel das klappenreiche Blasinstrument bereits durch seinen Schöpfer Adolphe Sax mit dem Thema Körper und Geist verbindet, dürfte vielen Saxophonisten gar nicht bewusst sein. Neben der Kreation eines modernen Instrumentenklassikers, erfand Sax mit der Goudronniére wenig später nämlich auch noch ein medizinisches Inhalationsgerät zur Behandlung von Lungenkrankheiten. Dass sich regelmäßiges Spiel eines Blasinstruments unmittelbar auf Kondition und Gesundheit von Zwerchfell und Lunge auswirkt, ist mittlerweile nicht nur durch medizinische Untersuchungen, sondern auch im tausendfachen Selbstversuch lückenlos und zweifelsfrei belegt. Darüber hinaus hat die musikalische Betätigung aber auch direkte Auswirkungen auf Gehirntätigkeit und Psyche.

    Für aktive Musiker dürfte es zwar nicht wirklich eine große Neuigkeit sein, aber aktives Musikmachen führt im Körper zu einer vergleichbar hohen Ausschüttung an Endorphinen, wie dies auch bei Sex, Sport, Essen und dem Konsum von Drogen der Fall ist. Gestützt durch die Ergebnisse aktueller bildgebender Verfahren, wie der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRT), macht das Spiel von Saxophon und anderen Instrumenten demzufolge also nicht nur jede Menge Spaß, sondern auch wissenschaftlich belegt glücklich. Das ist aber noch längst nicht alles.

    Musizieren ruft innerhalb des Gehirns durch neuronale Neuverschaltungen nachhaltige psychische Veränderungen hervor. In diesem Zusammenhang ließen sich in zahlreichen Versuchen beim Hören von Musik mehr als deutliche Unterschiede im Bereich der Hirnaktivität zwischen Musikern und nicht musizierenden Menschen ausmachen. Während bei Nicht-Musikern primär eine Aktivierung des rechten Schläfenlappens zu beobachten ist, reagieren ausgebildete Musiker mit Anspringen der linken Seite, welche das Gehörte über die Basisparameter wie Harmonie und Tonhöhe hinweg deutlich weitgreifender differenziert. Zudem wurde bei der Betrachtung von Hirnscans beobachtet, dass Instrumentalisten insgesamt über eine deutlich aktivere Verbindung beider Gehirnhälften verfügen. Das Erleben und Hören von Musik aktiviert aber nicht nur die mit dem Hören verknüpften Areale, sondern baut darüber hinaus auch Brücken in andere sinnliche Wahrnehmungsbereiche. Hier dürfte auch die Begründung für das bekannte Phänomen verortet sein, weshalb Musik auf besondere Weise im Stande ist, sich mit Situationen, Gerüchen, Geschmack, Farben und Formen zu verbinden, um in exakt dieser Kombination erinnert zu werden.

    Aber auch die Art der Musik, die wir machen und hören, scheint in ihrem Einfluss auf die psychische Dimension eine besondere Rolle zu spielen. Bei einer am MPI Leipzig durchgeführten Vergleichsstudie zur Hirnaktivität von Klassik- und Jazzpianisten fiel auf, dass letztere aufgrund jahrelanger Improvisationspraxis nicht nur deutlich flexibler und schneller auf harmonische Änderungen reagierten, sondern ihr Gehirn Strategien insgesamt auch deutlich früher anzupassen begann, als dies bei den auf Struktur und Genauigkeit ausgerichteten “Klassikern” der Fall war. Die abverlangten psychischen Prozesse und deren neuronale Ausbildung differieren je nach Musikrichtung also mitunter gravierend.

    Musikergehirne unterscheiden sich allerdings nicht von Geburt an von denen nicht musizierender Menschen. Die Differenzierung lässt sich stattdessen als direkte Folge einer ständigen und jahrelangen Beschäftigung mit der Musik und dem eigenen Instrument begreifen. So mehren sich beispielsweise Hinweise, dass Instrumentalspiel oder Gesang einen maßgeblichen und unmittelbaren Einfluss auf die Neuroplastizität ausübt, welche der Fähigkeit des Gehirns sich selbst zu modifizieren entspricht. Das Praktizieren von Musik scheint demnach exakt diese Neuvernetzung von Neuronen im besonderen Maße zu stimulieren und dadurch zu steigern. So deuten unterschiedliche Studien verstärkt darauf hin, dass Musikergehirne vor allem in jüngeren Jahren eine verbesserte Lernfähigkeit zum Beispiel im Bereich des Fremdsprachenerwerbs aufweisen. Ob Musik, wie vielfach (natürlich von Musikern – mit und ohne Sax) behauptet, tatsächlich schlau macht, sei an dieser Stelle einmal dahingestellt. Dafür ist sie aber scheinbar im Stande, unsere Gehirne insgesamt flexibler zu machen, und unsere Gefühlswelten miteinander zu verknüpfen – und das ist doch auch schon mal alles andere als schlecht.